Sehr persönliche Geschichten junger Menschen, die nach der Zerstörung Magdeburgs verzweifelt nach einem Dach über dem Kopf gesucht haben oder von Frauen, die sich beim Steineklopfen die Hände blutig geschlagen haben: All das erzählt unsere Chronik, die wir zu unserem diesjährigen 70. Jahrestag veröffentlicht haben. Es sind die Erinnerungen der Mitglieder der ersten Stunde, die eine Zeit in Erinnerung rufen, die von Mangel und Not, aber auch von Hoffnung und Aufbruch geprägt ist.
Menschen wie Alfred Fries, Vorzeichner im SKL und im Ehrenamt erster Vorsitzender der Arbeiterwohnungsgenossenschaft (AWG) „Karl Liebknecht“, berichten darüber, wie sie 1954 nach Feierabend selbst die ersten Reihenhäuser gebaut haben, um überhaupt eine Wohnung zu bekommen. Menschen wie Manfred Unger sprechen über den bescheidenen Wohnkomfort mit Kachelofen und Kohlelieferung an der Haustür. Eva und Manfred Rocher erzählen, wie der zweite AWG-Chef Karl Heinz Meyer 1958 nach dem ersten Richtfest in der Hohepfortestraße übermütig vor Freude und ziemlich beschwipst zu späterer Stunde die Blumen der Ehrengäste gegessen hat.
Aus berufenen Mündern wird authentisch berichtet über die Gründungswelle von Wohnungsgenossenschaften in der Stadt Mitte der 1950er Jahre und die darauf folgende Fusionswelle in den 1960er Jahren. Menschen wie Ingeborg Ließmann erinnern sich, wie sie in den 1980er Jahren beinahe täglich Menschen mit einem einfachen Trick aus den anfälligen Fahrstühlen in den „10ern“ der Salvador-Allende-Straße als „Fahrstuhlbeauftragte“ befreit hat.
Aus der AWG „Friedrich Engels“, die 1954 mit der SKL-Siedlung ihr erstes Projekt umsetzte, wird schließlich die größte der Stadt. 1981 hat die Genossenschaft 10.000 Wohnungen. Angesichts des Mangels an Material fleht der damalige Vorsitzende Manfred Ewald die Parteiführung an, der Genossenschaft keine weiterten Wohnungen zu übergeben. Ewald wird erhört und 1983 ist die Hans-Grade-Straße das letzte Projekt der Genossenschaft bis zur Wende.
Erzählt wird, wie nach 1990 aus der AWG „Friedrich Engels“ die MWG und damit die größte Wohnungsgenossenschaft Sachsen-Anhalts wird. Dr. Martin Schmidt erinnert sich als erster Nachwendevorstand, wie er 1993 hemdsärmelig den ersten Kreditvertrag mit einer Hamburger Bank verhandelt hat und wie alle Wohnungen bis 2000 und damit binnen sieben Jahren mit rund 30 Millionen DM beinahe komplett durchsaniert werden.
Und letztlich erzählen Menschen wie Thomas Fischbeck, seit 2003 MWG-Vorstand, wie die MWG danach ein beispielloses Neubauprogramm mit Highlights wie Luisencarré, Luisenturm, Domviertel und demnächst MWG-Forum gestartet hat. Seit 1990 investierte die MWG rund 155,3 Millionen Euro in den Neubau von insgesamt 532 Wohnungen in 34 Objekten – so viel wie kein anderer Vermieter in der Stadt.
Das alles, ergänzt mit einer Zeitleiste, Zeitgeist-Storys und die in jedem der 70 Jahre angesagtesten Witze, liegt nun in einer Chronik vor. Auf 156 Seiten ist im DIN A4-Format ein wichtiger Teil Magdeburger Bau- und Stadtgeschichte nachlesbar.
Zwei Exemplare sind jetzt an das Stadtarchiv Magdeburg übergeben worden. Dr. Christoph Volkmar nahm sie als Leiter des Hauses dankbar entgegen: „Wir freuen uns über so ein einzigartiges und authentisches Material, das wir hier als ,graue Literatur’ bezeichnen. Sie wird in unser Bibliotheksverzeichnis aufgenommen und ist damit jederzeit für Interessierte abrufbar.“
Foto: Dr. Christoph Volkmar (Leiter des Stadtarchivs), Jana Erdmann (MWG-Marketingleiterin), Thomas Fischbeck (MWG-Vorstand) und Jens-Uwe Jahns (Journalist und Autor der Chronik, v. l.)