Im Kannenstieg tut sich etwas

Das Wohnquartier Otto-Nagel-Straße/Johannes-R.-Becher-Straße macht von sich reden. Das gerade gestartete „Urban Gardening Projekt“ sorge für so viel Furore, dass sich sogar ein Staatssekretär die Sache persönlich im Kannenstieg anschaute.

Staatssekretär Sven Haller vom Ministerium für Infrastruktur und Digitales des Landes Sachsen-Anhalt war neugierig wie Schmidts Katze: „Ich wollte mir persönlich anschauen, wie von uns vergebene Fördermittel bei der Wohnraumsanierung tatsächlich wirken und wie man das teils konfliktreiche Zusammenleben unterschiedlicher Kulturen in einem dicht besiedelten Stadtteil kommunikativer gestalten kann.“ Zu beiden Fragen fuhr der Staatssekretär zwei Stunden später mit Antworten zurück ins Ministerium. So berichtete MWG-Vorstand Thomas Fischbeck, dass nach der Komplettsanierung des Zehngeschossers Otto-Nagel-Straße 8 dank Fördermittel Menschen mit Wohnberechtigungsschein zu Mieten von unter 6 Euro/qm zu beinahe Neubauqualität einziehen konnten. Die Durchschnittsmiete aller sanierten Wohnungen in der Otto-Nagel-Straße 7 und 8 liegt bei 5,91 Euro/qm: „Das hätten wir mit Neubau nie erreichen können. Je Quadratmeter wurden ca. 1.500 Euro im Kannenstieg investiert. Ein Neubau kostet heute zwischen 3.500 und 4.000 Euro“, so Fischbeck.

Eingeschlossen sind hierbei die Schaffung von Gemeinschaftsräumen im Erdgeschoss für Begegnungen der Familien, aber auch Abstellräume für Fahrräder, Kinderwagen und ein Hausmeisterbüro. Das begeisterte auch Dr. Ingo Gottschalk, Beigeordneter Soziales, Jugend und Gesundheit: „Ich freue mich über solche Projekte sehr, berücksichtigen sie doch auf charmante Weise die Interessen von Familien nach Kommunikation und Gemeinsamkeit mit der Nachbarschaft.“ Statt der in Plattenbau-Zehngeschossern üblichen 2- und 3-Raum-Wohnungen kann die MWG durch Grundrissänderungen nun u. a. mehr 4-Raum-Wohnungen anbieten: „Bis auf eine Wohnung, die erst vor wenigen Tagen durch einen Auszug frei geworden ist, sind alle vermietet.“

Angesichts des teils schwierigen Zusammenlebens verschiedener Kulturen im Quartier, in dem es neben den MWG-Eingängen auch Wobau-Häuser gibt, konnten die Geschäftsstellenleiter von Wobau (Tobias Hoffmann) und der MWG (Torsten Wiemann) über eine Idee berichten, die wider Erwarten Wirkung zeigt: „Wir haben den Zaun zwischen unseren Innenhöfen abgebaut und stattdessen acht Hochbeete gesetzt. Die Idee des Unternehmens ,Ackerpause’ fanden wir alle zwar großartig, waren aber skeptisch, ob die Umsetzung des sogenannten Urban Gardening Projektes im Kannenstieg funktioniert.“ Einige Wochen später deutet sich an, dass die Beetpatenschaften funktionieren. Bei Hallers Besuch wuchsen noch in allen Beeten Radieschen, Salat, Erdbeeren und Kräuter heran. Statt des gefürchteten „Pflanzenklaus“ sieht man eifrige Mieter verschiedener Nationen, die die Pflanzen täglich gießen. Das „Urban Gardening Projekt“ wird durch MWG, Wobau und dem Unternehmen „Ackerpause“ betrieben. Darüber hinaus gibt es eine Kooperation beider Wohnungsunternehmen mit der Stadt zur Verbesserung des Zusammenlebens im Kannenstieg. In diesem Zuge übernimmt die arabische Sozialarbeiterin Frau Hijazi als Mitarbeiterin zur Integrationgemeinwesenarbeit Aufgaben und schafft gemeinsame Angebote.

Foto: Staatssekretär Sven Haller (M.), schaut sich mit MWG-Wohnungsmarktleiter Nord Torsten Wiemann (l.) und MWG-Vertriebsleiter Matthias Altrichter (r.) eines der Hochbeete im Innenhof der Otto-Nagel-Straße an.