Historiker in der DDR-Wohnung

Der französische Wissenschaftler Prof. Dr. Nicolas Offenstadt recherchiert, welche Spuren die DDR im heutigen Deutschland hinterlassen hat. Dafür besuchte er unlängst auch die Museumswohnung der MWG. „Ich bin ein Freilufthistoriker“, sagt Prof. Dr. Offenstadt in perfektem Deutsch und lächelt: „Ich suche die Spuren der Geschichte vor Ort und nicht in verstaubten Archiven.“ Selbst ist der Professor allerdings ein Vielschreiber. Er veröffentlicht regelmäßig Artikel im Feuilleton der Tageszeitung „Le Monde“ und hat mehrere Bücher zu seinen Forschungen geschrieben.

Bis Juli 2016 war Nicolas Offenstadt Gastprofessor an der Viadrina Frankfurt/Oder und lehrte dort Europäische Kulturgeschichte. Er ist Dozent für mittelalterliche Geschichte und Mediävistik an der Universität Paris 1 (Panthéon-Sorbonne). Auf den Forschungsfeldern der Kriegs- und Friedenspraktiken des späten Mittelalters wie auch des Ersten Weltkrieges ist er international als Spezialist ausgewiesen.  Er setzt sich insbesondere mit den Formen des kollektiven Gedenkens an den Krieg 1914-18 in Frankreich auseinander und nimmt als Gründungsmitglied des „Comité de Vigilance face aux Usages Publics de l‘Histoire“ (Komitee zur Überwachung des öffentlichen Umgangs mit der Geschichte) immer wieder zur öffentlichen Instrumentalisierung der Geschichte Stellung.

Derzeit recherchiert er überall in Deutschland für sein neues Buch, in dem er aufarbeiten möchte, welche Spuren die DDR im heutigen Deutschland hinterlassen hat. Um dafür möglichst viele Informationen zu sammeln, nutzte er auch seinen zweiwöchigen Familienurlaub in Halberstadt, um von dort aus den deutschen Osten zu erkunden: „Ich habe von Rostock bis Chemnitz mit dutzenden Menschen gesprochen. Im Internet stieß ich auf die DDR-Museumswohnung in Magdeburg. Hier wollte ich unbedingt erfahren, mit welchen Motiven Menschen Exponate spenden und sie im Ehrenamt als Museumsführer Besuchern erklären. Ich bin sehr beeindruckt von diesem Projekt, das lebendig und volksnah Geschichte bewahrt.“ Dort berichteten ihm u.a. Eva und Wolfgang Rocher über den Alltag in der DDR und darüber, dass aus ihrer Sicht eigentlich zu wenig „DDR“ im heutigen Alltag zu finden ist: „Es hätten mehr Dinge als das Ampelmännchen und die Poliklinik, die man heute nur Ärztehaus nennt, verdient gehabt, nach Deutschland exportiert zu werden.“

Die MWG-Wohnung besuchte der französische Wissenschaftler übrigens mit Ehefrau Sophie und Söhnchen Leòn. Der war fasziniert von den DDR-Spielsachen und war besonders von der Triola, einem Klassiker unter den Spiel-Musikinstrumenten, begeistert.

Hintergrund zur DDR-Museumswohnung

Eröffnung: Die Wohnung wurde anlässlich des 60. Geburtstages der MWG im Jahr 2014 eröffnet.

Inventar: Es stammt ausschließlich aus Spenden von MWG-Mitgliedern.

Öffnungszeiten: Jeden Sonntag 14 bis 16 Uhr. Die Öffnungszeiten werden von Mitgliedern des MWG-Nachbarschaftsvereins abgesichert.

Eintritt: Der Eintritt ist frei.